Nachwuchsdebatte: Mindestlohn für ein PR-Praktikum? Unmöglich.

Die Kolleginnen der Public Relations Studierende Hannover e.V. (PRSH) haben die aktuelle Diskussion zur #Nachwuchsdebatte auf ihr Tableau gebracht. In ihrer Mitteilung vom 17. Juni 2014 fordern sie die Einführung eines Mindestlohns für Praktika in der PR.

Im Artikel:  Lan Anh Nguyen: Vorstand der PRSH fordert Mindestlohn für PR-Praktikum - PR-Agentur Bremen

Für mich ein guter Grund ebenfalls Stellung aus Sicht eines freiberuflichen PR-Beraters zu ziehen, der gerne und regelmäßig Praktikanten Einblicke in die konkrete PR-Arbeit gibt.

Das zentrale Zitat der PRSH lautet:

PR-Berufseinsteiger, die einen Studienabschluss im Fachbereich PR/ Kommunikationsmanagement und einschlägige Praxiserfahrung vorweisen, sollten nach dem Mindestlohn vergütet werden! Sie stellen qualifizierte und vollwertige Arbeitskräfte dar, deren Leistung angemessen honoriert werden muss.

Und vom PRSH weiter:

Fallen die Freiwilligen-Praktika weg ohne jeglichen Ersatz, könnten die Trainees bzw. Volontäre auf den Aufgaben sitzen bleiben.

Kein Praktikant ist eine vollwertige Arbeitskraft

Zum ersten muss die Branche sicherlich darüber nachdenken, inwieweit eine Vergütung innerhalb der PR angemessen ist. Dabei blicke ich allerdings bewusst auf das Volontariat. Denn dort werden aus ehemaligen Studenten vollwertige Arbeitskräfte über einen Zeitraum von ca. 18 Monaten. Hier gibt es meines Erachtens tatsächlich Klärungsbedarf. Denn ein Kommunikationswissenschaftler oder vergleichbar sollte auch in dieser Phase ähnlich wie ein Trainee anderer Berufszweige bezahlt werden. Allerdings insistiere ich gegen den Vergleich, den die PRSH hier ziehen will: Ein Praktikant ist nur bedingt – vorrangig aus zeitlichen Gründen der Einarbeitung – in der Lage die gleiche Leistung wie ein Volontär zu bringen.

Zum zweiten sehe ich aus meiner Position keinen Mindestlohn für Praktika generell. Egal, ob Pflicht oder freiwillig. Kein Praktikant war bisher per se produktiv. Die aufgewendete Ausbildungszeit muss berücksichtigt werden. Und dann kommt man bei einem einschlägigen Stundensatz eines Beraters locker auf den Mindestlohn. Wenn ich als Freiberufler einen Praktikanten habe, gebe ich mir Mühe ihm oder ihr die Aufgaben im Detail zu erklären und in den Kontext der Arbeit zu setzen. Ich habe noch nicht erlebt, dass es eher eine Entlastung war. PR ist eine detailreiche Arbeit, bei der es um viel Erfahrung für die handwerkliche Umsetzung geht. Und diese fehlt einem jungen Studenten. Kein Produkt geht ohne intensive Korrektur seitens der PR-Berater raus.

Mindestlohn muss gedeckt sein

Zum dritten kann ich die Forderung zu Praktika mit einem Studienabschluss nicht verstehen. Entweder hat man diese während des Studiums verpennt oder bringt eben nicht die notwendige Qualifikation mit, um zur Wertschöpfung beizutragen. Dann ist eine Bezahlung ebenfalls überflüssig. Letzteres ist auch das Stichwort: Unternehmen müssen wertschöpfend handeln und kalkulieren. Wenn irgendeine staatliche Organisation willkürlich einen Mindestlohn von 8,50 EUR festsetzt, liegt dieser Betrag für bestimmte Aufgaben über dem Deckungsbeitrag. Somit ist es betriebswirtschaftlicher Amok, Menschen zu diesem Mindestlohn zu beschäftigen. Was ergibt sich daraus? Die Nichteinstellung. Damit ist der Mindestlohn ein gewagtes Experiment, nicht nur in der PR.

Nicht zuletzt sehe ich manchmal das größte Problem in der Eigenwahrnehmung. Vielleicht bin ich nicht talentiert genug. Denn ich war selbst nach einem Studienabschluss und der Ausbildung zum Radioredakteur kaum in der Lage bei einem nachfolgenden Praktikum in einer PR-Agentur die Aufgaben voll wahrzunehmen. Der Agentur-Inhaber musste sich jeden Morgen Zeit nehmen, um mit mir meine Aufgaben durchzusprechen und Texte korrigieren. Daher wäre ich nie auf die Idee gekommen, dafür noch ein Salär zu bekommen. Mich erinnert die #Nachwuchsdebatte des PRSH dahingehend etwas an die Diskussion um diese Kollegin. Erfahrung und Wissen sammelt sich nur über die Zeit an.

Für den Wert eines Praktikums zählt nur die individuelle und persönliche Qualifikation. Eine generelle Festlegung eines Mindestlohnes über alle Regionen und Organisationen hinweg ist kontraproduktiv. Einem bezahlten Praktikum steht damit grundsätzlich aber nichts im Weg.

 

Ich freue mich auf Ihr Feedback!

 

 

 


Aktuelle Informationen über den Autor Nicolas Scheidtweiler erhalten Sie auf seinem Google+-Profil. Er studierte in München und Hagen und arbeitet seitdem in verschiedenen Funktionen und Bereichen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Parallel absolvierte er das Kompaktstudium an der Deutschen Presseakademie in Berlin. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Verknüpfung von praktischen Erfahrungen mit einem Theorie-Fundament. Nicolas Scheidtweiler hat einen Lehrauftrag für Medientheorie an der Hochschule Bremerhaven.

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Comments (4)

  1. kommoguntia e.V.
    Juni 20, 2014

    Hallo Herr Scheidtweiler,

    auch wir von der studentischen PR-Initiative kommoguntia haben uns in der aktuellen Debatte um den Mindestlohn positioniert (siehe Homepage) und sind dabei auf ihren Beitrag aufmerksam geworden. Hierzu einige Anmerkungen aus unserer Sicht.

    In vielen Branchen werden Langzeitpraktikanten als vollwertige Arbeitskräfte eingesetzt, aber nicht annährend ausreichend bezahlt („Generation Praktikum“). Unternehmen, die betriebswirtschaftlich darauf bauen, Praktikanten als billige Arbeitskräfte ausnutzen zu können, haben es mit der anstehenden Neuregelung nun in der Tat schwer.

    Doch Unternehmen, die sich bisher viel Mühe gegeben haben Praktikanten anzuleiten, einzubinden und auch angemessen zu bezahlen, haben mit der Neuregelung nichts zu befürchten. Denn Pflichtpraktika und Praktika unter sechs Wochen sind vom Mindestlohn ausgenommen. Wer also als Unternehmen Praktika als das verstanden hat was sie sind – nämlich Vermittlung praktischer Einblicke in die Arbeitswelt und gegenseitiges Kennenlernen – der erreicht über diese Ausnahmen auch weiterhin den qualifizierten Nachwuchs.

    Diesen finden Sie übrigens in den Studiengängen der Unternehmenskommunikation/PR und den studentischen PR-Initiativen.

    – David Peter
    kommoguntia e.V.

  2. Nicolas Scheidtweiler
    Juni 21, 2014

    Hallo David,

    das Thema Langzeitpraktikant finde ich auch ätzend. Allerdings aus zwei Blickwinkeln: Als Unternehmen ist es m.E unethisch jemanden so lange unter diesen Bedingungen zu beschäftigen. Auch hat das nichts mehr mit einem Praktikum als Ausbildungsaspekt zu tun. Und da nähert sich der Langzeitpraktikant einer vollwertigen Arbeitskraft und trägt zur mehr und mehr Wertschöpfung bei. Und sollte dann bezahlt werden.

    Allerding sehe ich auf anderer Seite auch das Individuum. Wenn ich als Person erkenne, dass ich über einen längeren Zeitraum in diese Rolle reinwachse, aber immer noch nicht besser bezahlt werde, sollte ich selbst den Abgang forcieren und das ganze bei kununu bewerten. So werden die schwarzen Schafe deutlich. Warum macht das keiner? Warum wird nur lamentiert? Oder ist der Wert des Langzeitpraktikums dann doch hoch genug, auch ohne Bezahlung? Das ist aber die Frage des Individuums.

    Mir geht es bei der Diskussion um den Mindestlohn auch um die Intervention des Staates in die soziale Marktwirtschaft. Der Markt wird immer noch von den individuellen Entscheidungen und Bedürfnissen der Unternehmen getragen. Das hat uns erfolgreich gemacht und die Lebenssituation aller Menschen verbessert. Alles andere ist Planwirtschaft. Und die hat offensichtlich nie funktioniert, zum Nachteil aller Menschen.

    Und gerne kannst du dir die Feedbacks meiner Praktikanten im Blog anschauen. Ich habe mir jedes Mal viel Mühe gegeben, ihnen mein Wissen zu vermitteln. Und das kostet mich bares Geld. Darüberhinaus noch zu bezahlen ist nicht möglich.

    Beste Grüße

    Nicolas

  3. David Peter / kommoguntia e.V.
    Juni 22, 2014

    Hallo Nicolas,

    ich finde es gut und richtig, wenn sich Unternehmen, Agenturen und Freiberufler aktiv für Ihre Praktikanten einsetzen. Wenn sie sich wirklich Mühe geben, Ihnen etwas beizubringen. Dann haben nämlich beide Seiten etwas davon. Einblicke in die Arbeitswelt hier, gewinnbringende Tätigkeit im Unternehmen dort. An dieser Stelle danke, dass du das beherzigst.

    Ich glaube aber, es ist irrig anzunehmen, Praktikanten hätten immer die Wahl zwischen „guten“ und „schlechten“ Praktika.
    Die Zahl der „guten“ Praktikumsplätze ist begrenzt, und wenn ich als junger Absolvent die zwanzigste Jobabsage bekommen habe ist das verhasste Langzeitpraktikum irgendwann die gefühlt letzte Chance. Aber nicht, weil ich einen großen Mehrwert darin sehe zwei Jahre ohne ordentlichen Lohn zu arbeiten, sondern weil seitens der Unternehmen schlicht nichts anderes angeboten wird.

    Natürlich wäre für die Unternehmen eine freiwillige Verpflichtung zur Mindestentlohnung für Praktikanten besser gewesen. Dann hätte man branchenspezifische Regelungen treffen können. Da dies von den Unternehmen aber schlicht verschlafen wurde (und weil man sich natürlich auch nicht den komfortablen Status Quo kaputt machen wollte) muss es nun das Parlament regeln. Das ist soziale Marktwirtschaft, also der Eingriff des Staates an Stellen, die der Markt nicht selber regeln kann oder will.

    Mit besten Grüßen
    – David
    kommoguntia e.V.

  4. Nicolas Scheidtweiler
    Juni 24, 2014

    Hi David,

    ich mache mir gerade noch ein paar Gedanken, um meine Argumentation zu verdeutlichen.

    Grundlage meines Denkens – das wirst du gemerkt haben – ist der Mensch und seine individuellen Fähigkeiten. Ich glaube nicht, dass ein verfasster Staat das in diesem Unfang gerecht regeln kann. Obwohl er es gerade versucht 😉

    LG

    Nicolas

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